| | | | | | | 17. Dezember 2025 - Ausgabe 17 | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | Dirk Lorenzen Astrophysiker, Autor der Sternzeit | | | | | | | | | Liebe Leserinnen und Leser, liebe Weltraumfans,
wie viele Sterne und Kometen haben Sie heute schon gesehen? Überall funkelt es – in festlich geschmückten Straßen, über Krippenszenen, in Adventsdekorationen, in ausgestochenen Plätzchen etc. Der berühmte Stern von Bethlehem verzaubert uns alle. Allein: Er ist eine reine Ausschmückung der Weihnachtsgeschichte ohne historischen Hintergrund. Es gibt keinen astronomischen Stern von Bethlehem. Bevor ich Ihnen diese „Enttäuschung“ erkläre, eine Warnung vorweg: Suchen Sie noch ein Last-Minute-Geschenk und wollen einen Stern am Himmel oder einen Mondkrater verschenken? Fallen Sie bitte nicht auf solchen Betrug herein! Dazu später mehr. | | | | | | | | | | Ein Fresko und fertig ist der Weihnachtsstern – für Jahrhunderte! Giotto di Bondone, der bedeutendste „Weihnachts-Influencer“, hat den Kometen Halley über die Krippenszene gesetzt. Er war der erste, der detailgetreu Kopf und Schweif eines Kometen gemalt hat. (ESA) | | | | | | „Als Jesus geboren war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.“ Das Matthäus-Evangelium (Kapitel 2) ist die einzige biblische Quelle zum Weihnachtsstern. In der viel bekannteren Weihnachtsgeschichte bei Lukas taucht der Stern gar nicht auf. Nach manchen Theorien stand damals ein heller Komet am Himmel. Oder es ist eine Supernova-Explosion am Firmament aufgeleuchtet – ein helles, zuvor unsichtbares Objekt. | | | | | Kein Weihnachtskomet am Himmel | | | | | Andere meinen, es habe eine ungewöhnliche Planetenkonstellation gegeben. Tatsächlich standen im Jahr -6 Jupiter und Saturn dreimal dicht beieinander. Am Abend des 17. Juni -1 sind Venus und Jupiter für das bloße Auge zu einem Punkt verschmolzen. Tolle Himmelsschauspiele, aber bestimmt keine Sterne von Bethlehem. Denn in Jerusalem war man laut Weihnachtsgeschichte sehr überrascht, von dem Stern zu hören. Doch was in Babylon am Himmel zu sehen ist, bleibt auch in Jerusalem nicht verborgen. Zudem galten unvorhergesehene Ereignisse, wie das Erscheinen von Kometen und Supernova-Explosionen, kaum als positiv, sondern meist als Boten nahenden Unheils. Die so populäre Kometen-Deutung geht auf den italienischen Maler Giotto di Bondone zurück. Er hatte 1304 in einem Fresko in der Arenakapelle in Padua einen wunderbaren Kometen über die Krippenszene gemalt – offenbar animiert von der grandiosen Erscheinung des Kometen Halley drei Jahre zuvor. Sein Gemälde gilt als älteste realistische Darstellung eines Kometen überhaupt. Als Dank dafür hat die Europäische Weltraumorganisation ESA ihre Raumsonde zum Kometen Halley im Jahr 1986 Giotto genannt! | | | | | | | | | | Ein Geschenk des Himmels: Saturn gilt wegen seines wunderbaren Rings als der schönste aller Planeten. Etwa alle 20 Jahre überholt ihn der Riesenplanet Jupiter – aber die beiden haben sicher nicht als Weihnachtsstern den Weisen den Weg gewiesen. (Hubble/NASA/ESA/CSA) | | | | | | Kitschige Planetentheorie | | | | | Bis heute gilt vielen das dreimalige Treffen von Jupiter und Saturn als der perfekte Weihnachtsstern (das Verschmelzen von Venus und Jupiter kommt nicht in Frage, weil König Herodes, der zu Jesu Geburt regiert hat, im Jahr -1 schon tot war). Diese Idee wurde hierzulande in den 1980er Jahren populär, als sie der österreichische Astronom Konradin Ferrari in einem sehr romantisierenden Buch aufgriff. Ferrari setzte auf eine unbelegte astrologische Deutung der Planeten und des Sternbilds Fische, in dem die Begegnung stattfand. Daher sei das Treffen von Jupiter und Saturn in Babylon ganz außergewöhnlich gewesen, in Jerusalem dagegen nicht. Allerdings ist dies bloße Spekulation – Belege dafür gibt es nicht. Seine Vermutung, der Kegel des Zodiakallichts habe auf den letzten Kilometern den Weisen den Weg zum Stall in Bethlehem gewiesen, liegt irgendwo zwischen kühn und kitschig. Das Zodiakallicht, an Staub im Sonnensystem gestreutes Sonnenlicht, ist in dunklen Gegenden eine ganz gewöhnliche Himmelserscheinung und nichts Besonderes. | | | | | | Das Sternmärchen und der Päpstliche Astronom | | | | | | In vielen Heldengeschichten taucht so ein „königliches“ Objekt am Himmel auf. Es ist eine ganz übliche Ausschmückung, um die Bedeutung eines Ereignisses zu betonen. Als ich dies einmal in einer Sternzeit dargelegt hatte, schrieb mir ein kritischer Hörer, er könne mir dafür bestenfalls die Schulnote 5 geben. Ich schrieb zurück, dass er dann auch Guy Consolmagno, den damaligen Päpstlichen Astronomen, so bewerten müsse. Bei einem Besuch in seiner Sternwarte hatten wir auch kurz über die Mär vom Stern von Bethlehem gesprochen. Beim Stern gehe es um das Symbol, um die Botschaft, die er vermittelt – und nicht um astronomische Fakten, betonte Guy Consolmagno. Der Hörer meldete sich übrigens noch einmal: Ich hätte wohl bemerkt, dass er seine Beschwerde in emotionaler Aufwallung verfasst habe. Die hat sich inzwischen gelegt. Nicht wundern, dass ein Himmelsereignis einige Jahre vor Christus als möglicher Stern von Bethlehem gilt. Bei der Einführung unserer Jahreszählung durch den Mönch Dionysius Exiguus im 6. Jahrhundert war eine genau Datierung der Geburt Christi unmöglich. Heute ist klar, dass das Jahr 1 einige Jahre zu spät angesetzt wurde. Kuriosum am Rande: In der historischen Jahreszählung gibt es kein Jahr 0. Die Null war im 6. Jahrhundert hierzulande noch unbekannt. Bei astronomischen Berechnungen kann man natürlich nicht auf die 0 verzichten. Das astronomische Jahr 0 entspricht daher historisch 1 v. Chr. Das Jahr -6 ist 7 v. Chr. usw. Das ist u.a. bei Jahrestagen zu beachten. Julius Caesar wurde 44 v. Chr. ermordet. Wann jährt sich das zum 2100. Mal? Im Jahr 2056? Oder erst 2057? | | | | | | | | | | Sterne, so weit das Teleskop-Auge reicht: Auch wenn es verschwenderisch viele Sterne im Kosmos gibt - kaufen oder offiziell benennen darf man sie nicht. Die Sterne sind für alle da! (Hubble/NASA/ESA/CSA) | | | | | | Kein Stern, der Deinen Namen trägt | | | | | So viel zum Weihnachtsstern – jetzt kommt der eingangs versprochene Geschenktipp bzw. die Warnung vor himmlischem Weihnachtsnepp: Im legendären Lied „Ein Stern“ der österreichischen Musiker Nik P. und DJ Ötzi bekommt die Angebetete einen Stern am Himmelszelt geschenkt, der ihren Namen trägt und der über die gemeinsame Liebe wacht. Wenn Sie ganz privat für sich den Abendstern auf den Namen Ihres Augensterns taufen, so ist das allein Ihre Sache und völlig in Ordnung. Aber noch immer erscheint manchen Weltraumbegeisterten die „offizielle Benennung“ eines Sterns oder Mondkraters nach einem lieben Menschen als witziges Weihnachtsgeschenk. Vorsicht: Solche Angebote sind reiner Schwindel. Nur die Internationale Astronomische Union ist berechtigt, verbindlich Namen und Bezeichnungen für Sterne, Asteroiden, Mondkrater und Co. festzulegen – und sie tut das niemals gegen Geld. Manchmal ist von einem ominösen Sternregister in den USA die Rede, in dem auch schon Hollywood-Größen verzeichnet seien. So ein Register mag es geben, aber es hat keinerlei Bedeutung für die Astronomie. Um die Sache glaubwürdiger erscheinen zu lassen, wird gern auch ein NASA-Sternkatalog erwähnt. Den gibt es tatsächlich – jeder kann ihn kostenlos nutzen, aber keine Firma darf darin verzeichnete Sterne umbenennen. Manche der Bauernfänger verfügen nicht einmal über Grundkenntnisse der Astronomie: Bei einem Unternehmen heißt es, es seien Sterne aus 35 Sternzeichen verfügbar. Es gibt zwar 88 Sternbilder, aber nur zwölf Sternzeichen. | | | | | Nur privat die Sterne vom Himmel holen | | | | | Man mag beim Wetterdienst als Weihnachtsgeschenk Namen von Hoch- oder Tiefdruckgebieten erwerben können – himmlische Namen kann Ihnen aber niemand verkaufen. Die „Zertifikate“, die ebenso findige wie windige Unternehmen für die vermeintliche Sterntaufe ausstellen, sind völlig bedeutungslos (sie haben den gleichen Wert wie ein Zettel, der Ihnen bestätigt, München sei nun in Gerda-Kasupke-Stadt umbenannt worden). So einen Wisch können Sie selbst viel billiger aufsetzen. Schreiben Sie gern einen Gruß von Mr. Sternzeit drauf! Im Kosmos gilt: Holen Sie Ihrer oder Ihrem Liebsten so viele Sterne vom Himmel, wie Sie wollen – aber Sterne verschenken, können Sie nicht. | | | | | | | | | | Dieses Durcheinander aus Sternen, Gas und Staub im Sternbild Schlange ist für mich das „James-Webb-Weihnachtswunderland“. Dort sind auf engstem Raum einige Stadien der Sternentstehung nebeneinander zu sehen, eine drei Lichtjahre große kosmische „Krippenszene“. (JWST/NASA/ESA/CSA) | | | | | | James Webb: Astronomisches Weihnachtsgeschenk | | | | | An den Festtagen denke ich stets an zwei ganz besondere himmlische Weihnachtsgeschenke: Am Heiligen Abend 1979 hob die erste Ariane-Rakete ab. Seit 46 Jahren hat Europa einen eigenen Zugang ins All. Seitdem ist es nicht komplett von anderen Staaten, etwa den USA, abhängig, wenn es Satelliten in die Umlaufbahn bugsieren will. Am 1. Weihnachtstag 2021 schließlich brachte eine Ariane-5-Rakete (sic!) das James-Webb-Weltraumteleskop von NASA und ESA ins All. Seitdem ist bei jedem neuen Bild dieses Instruments gefühlt Weihnachten. | | | | | | | | | | | Dirk Lorenzen berichtet seit mehr als 30 Jahren über Astronomie und Raumfahrt. Er hat Dutzende Kometen beobachtet, aber niemals einen zu Weihnachten. Dafür backt er seinen Weihnachtskuchen in einer alten Kometenform – danke Giotto! | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | Der Beobachtungstipp | | | | | | | | | | | | | | | | Der ganze Himmel voller Weihnachtssterne, hier der Anblick am 24. Dezember gegen 19 Uhr. Tief am Westhimmel leuchtet die Mondsichel. Das Sternbild Orion, in dem sich auch ein Weihnachtsmann sehen lässt, steigt über den Osthorizont. Im Nordosten strahlt der Jupiter, im Südwesten der Saturn – beide zeigen sich zu Weihnachten, sind aber definitiv nicht der Stern von Bethlehem. (Stellarium) | | | | | | | | | | | | | | | | | | | Das tägliche Stück vom Himmel | | | | | | | | | | | | Das James-Webb-Weltraumteleskop blickt im Infrarotbereich in die Tiefen des Kosmos. Besonders wichtig ist die Kamera MIRI, die auf -266° C gekühlt ist – ein Schlüsselteil stammt vom Max-Planck-Institut für Astronomie und der Firma Hensoldt. Warum das MIRI-Filterrad – ein himmlisches Glücksrad made in Germany – ein Stück Ingenieurskunst für die Erforschung des Urknalls ist, erklärt die Sternzeit vom 12. Dezember. | | | | | | | | | | | | | | | | | | | Filterrad für James Webb: Kosmisches Glücksrad – made in Germany | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | Sie wollen täglich ein Stück vom Himmel hören? Dann abonnieren Sie hier die Sternzeit in der Deutschlandfunk App. | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | Nicht nur das Universum ist voller Rätsel - auch der menschliche Geist. Rausch, Vision, Wiedergeburt - wenn Sie diese Grenzerfahrung des menschlichen Bewusstseins ergründen wollen, empfehlen wir Ihnen den Podcast "Die Psychonauten". Außerdem blicken wir zurück auf das Leben des Priesters und Astronomen Giordano Bruno. Und: Harald Lesch denkt über Gott und Kosmologie nach - alles Zufall?! | | | | | | | | | | | | | Die Psychonauten (4/5) Wiedergeburt - Die unmögliche Erinnerung | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | Giordano Bruno: Priester, Astronom und Opfer der Inquisition | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | Religionen und Naturwissenschaften im Dialog – Gespräch mit Harald Lesch | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | Ihnen gefällt dieser Newsletter? | | | | | | | | | | | | | | | | | | Mr. Sternzeit – Der Deutschlandfunk Weltraum-Newsletter | | | | | | © Deutschlandradio Körperschaft des öffentlichen Rechts
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